Evenhof (11)

Statt Lady, wurde Lou tragend und der Vater des Fohlens war Ladys 2. Sohn, Nicki. Wolfgang hatte ihn, kurz bevor er ihn legen ließ, überraschend mit Lou angepaart und hoffte jetzt endlich auf ein Stutfohlen. Dieses Fohlen, welches auf seinen alten Leo zurückging und durch Nicki mit Lady verwandt sein sollte, machte es so richtig spannend und ließ auf sich warten. Ich glaube, die gute Lou hat über einen Monat übertragen, aber eines Tages stand dann doch ein Fohlen mit unglaublich langen Beinen in der Box. Natürlich war es wieder ein Hengstfohlen und Wolfgang und Doro tauften ihn auf den Namen „Joe“.

Nachdem es also wieder einmal nichts war mit Lady und ihrem Speedy-Chex-Fohlen überlegte Wolfgang sich, einen anderen Hengst auszuprobieren. Speedy Chex war schon alt und vielleicht lag es ja an der Samenqualität, daß nichts aus dem Fohlen wurde. Oder Lady und er paßten einfach nicht zusammen. Egal, was es war. Eines Tages durfte ich Wolfgang zu Hermann Kind und seinem Hengst „Hollywood Cody Jac“ begleiten, dem wir die Lady zum Decken brachten.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Vielleicht lag es ja daran, daß Jac ein Palomino war. Lady sah ihn, stellte sich breitbeinig vor seine Box und roßte ihm vor die Nase. Hermann hatte ihr eine „fliegende“ Box in der Reithalle aufgebaut. Lady wurde dort reingestellt aber sie konnte kaum gehen vor lauter „Rossigkeit“. So stand sie dann auch mit aufgewölbtem Rücken dort drin, blinkte in einer Tour und rief nach „ihrem“ neuen Lover.

Wolfgang und ich hatten bei diesen Fahrten die Gelegenheit uns intensiv auszutauschen und eines dieser Gespräche ist mir heute noch in Erinnerung. Denn es ging darum, wie wir in Bezug auf die Aufzucht von Fohlen eingestellt sind mit Ausblick auf Aufwachsen, Ausbildung, Anreiten etc. Die Frage des Alters beim Anreiten, war z. B. eines der Themen, die wir so draufhatten und wir stellten fest, daß wir auf einer ähnlichen Wellenlänge waren. Wir achteten uns, hörten aufeinander und nahmen auch schon mal den Rat des anderen an.
Vier Tage nachdem wir Lady abgegeben haben, konnten wir sie mit der Bemerkung – die ist tragend – auch wieder abholen. Und tatsächlich, nachdem Hubert, unser Tierarzt, sie mehrmals geschallt hat stand fest: Lady würde wieder ein Fohlen bekommen. Ob es diesmal das ersehnte Stutfohlen werden würde?

Alles Liebe
Eure

Evenhof (10)

Irgendwann hieß es dann auf dem Evenhof: „Jean-Cleaude kommt!“ Gemeint war Jean-Cleaude Dysli, zu dem Wolfgang ein ganz besonderes Verhältnis hatte, weil er bei ihm gelernt hat, was er konnte und auch Leo war aus seiner Zucht. J.C.D. würde einen Kurs abhalten. Leider war der direkt überbucht und überschritt auch mein Budget. Ich war absolut motiviert, etwas zu lernen. Hier durfte ich leider nur zuschauen. Aber auch das war schon ein Erlebnis.
Die Kurse nahm Wolfgang dann meistens zum Anlaß, seine Anlage in Schuß zu bringen. Also fand man uns: Susanne, Sabine, Simone und all die anderen meistens mit Besen und Staubsauger bewaffnet in der Halle oder auf der Balustrade, die wir vom Staub befreiten. Wir hatten in der Regel jede Menge Spaß dabei und halfen gerne. Und am Kurstag fanden wir uns dann, heißen Kaffee trinkend und leckeren Kuchen essend, auf der Balustrade ein und verfolgten gespannt den ein oder anderen Kurs von oben.

J.C.D beeindruckt uns immer wieder. Er setzte sich auf ein Pferd, blieb mit ihm einfach nur stehen und erzählte aus seinem immensen Wissen. Jetzt im Stand erfühlte er genau, wo der springende Punkt bei den Pferden war und teilte uns den dann auch gleich mit. Alle Pferde gewannen an Ausstrahlung, sobald Jean-Cleaude draufsaß und die Reitschüler nahmen immer etwas aus seinen Kursen mit. Seine Reitweise ist heute nicht mehr modern, aber ich wäre froh, wenn ich doch noch einmal einen Kurs bei ihm mitreiten könnte. Leider ist es nie dazu gekommen.

Aber er war nicht der einzige, der zum Evenhof kam. Im Laufe der Jahre wurden Kurse mit Bekannten Namen wie: Bernie Höltzel, Lyle Jackson, Bozo Rogers, Christoph Lesch, Morey Fisk, Thomas Lik und nicht zuletzt ganz regelmäßig mit Gary Marble angeboten. Und jedesmal stellte Wolfgang Lady vor und bat um Rat. Und alle sagten erst: „Kein Problem“ um dann frustriert aufzugeben, wenn sie mal wieder ausflippte. Selbst der gute alte Gary, der nach vielen Stunden Unterricht, die wir miteinander verbrachten, einmal selbst drauf sollte, weil er mir nicht glaubte, stieg hinterher ab und sagte nur so in etwa: „Und ich dachte immer es läge an Dir. Du bist doch eine bessere Reiterin, als ich dachte.“

Das Turnierreiten hatte ich mir dann auch abgeschminkt. Aber was dann kam, war auch nicht schlecht. Denn Wolfgang beschloß, daß Lady wieder ein Fohlen bekommen sollte. Immer und immer wieder ließ er sie decken. Der Hengst Speedy Chex war sein Favorit und er hätte so gerne ein Fohlen von den beiden gehabt, welches dann ja auf King zurückgegangen wäre. Anscheinend war das dann doch nicht die ideale Anpaarung, denn was immer er auch veranstaltete – Lady wurde einfach nicht mehr tragend. Bei Wimpy und Nicki hatte es keine Probleme gegeben, aber als Wolfgang sie das erste Mal von Speedy Chex decken ließ, verfohlte sie an einem Heiligabend, lange vor meiner Zeit, im achten Monat. Es wäre das Stutfohlen gewesen, welches Wolfgang sich so sehr wünschte. Auch weitere Zuchtversuche mit diesem Hengst waren erfolglos. Sie wurde tragend – mit Zwillingen. Eines mußte „abgedrückt“ werden, das andere folgte dem Gang der Dinge. Ein weiteres Mal wurde sie tragend, aber auf dem zweiten Ultraschall war nichts mehr zu sehen – Resorption. So ging es weiter und weiter. Die Hoffnung auf ein weiteres Fohlen aus der Lady schwand langsam. Es war immer wieder spannend, Wolfgang auf der Fahrt zum Hengst mit Lady zu begleiten. Um so trauriger war es jedesmal, wenn es hieß – resorbiert – nicht tragend – kein Fohlen – und wieder ein Jahr warten.

Alles Liebe
Eure

Evenhof (9)

Sie selbst meldete sich aber trotzdem mit ihr an und ich durfte an diesem Tag Leo reiten. Das war eine vernünftige Lösung und ich fühlte mich geehrt. Wir übten fleißig in den nächsten Wochen und ich merkte, daß das Turnierreiten gar nicht so einfach ist. Da mußte man erst einmal durch eine Pattern durchkommen, sich die Reihenfolge merken, nicht verreiten, keine Hütchen umwerfen und und und.

Am Tag des Turniers kam es, wie es kommen mußte. Lady war hypernervös und sprang mit Daniela während der Reining aus dem Turnierviereck raus und war daher out of pattern. Daniela hatte ein Einsehen und brachte Lady, die vor Aufregung schweißgebadet war, zurück in ihre Box, damit sie sich abregen konnte. Für sie war der Turniertag vorbei.

Leo und ich schnitten gar nicht so schlecht ab – kein Wunder, war er doch ein alter Turnierhase. Wir waren insgesamt 9. und die Urkunde habe ich heute noch. Tagessiegerin war Sabine, die mit dem gehandycapten Wimpy eine wirklich tolle Figur machte. Sie ritt sehr gut und förderte Wimpy, wo er konnte. Ein wirklich schönes Paar.

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So vergingen die Tage. Lady und ich, mittlerweile aufeinander eingespielt, kamen immer besser miteinander klar. Beim Reiten fühlte es sich sehr harmonisch an, wenn wir nicht – ja genau! – wenn wir nicht galoppierten.

Denn da hatten wir immer noch unser altes Problem. Kaum war Lady angaloppiert, raste sie auch schon durch die Halle. Auf dem Zirkel, wo man ja wirklich jedes Pferd langsam bekommt, wurde es noch schlimmer. Sie legte sich so in die Kurve, daß ich Angst bekam, sie könnte ausrutschen und fallen. Angst war nie eine gute Idee bei ihr – man mußte schon sehr locker auf ihr sitzen, damit sie sich nicht aufregte. Bei der kleinsten Anspannung, wurde sie schnell. Sie rannte einem einfach unterm Hintern davon. Aber eines verblüffte mich immer wieder: sagte man „Whoa“, stand sie, und zwar sofort.

Überhaupt war sie ein Pferd, daß auf die kleinsten Hilfen reagierte. Und bei den Turns mußte man schon aufpassen, daß man nicht unfreiwillig abstieg, so schnell drehte sie sich auf der Hinterhand. Da Lady dies aber auch ganz besonders aufregend fand, konnte man immer nur ganz kurz an diese Dinge herangehen, da sie sonst aufdrehte und dann war es fast unmöglich, sie auch nur im Schritt weiterzureiten. Ständig zackelte sie dann an und wollte man traben, versuchte sie auf der Stelle zu galoppieren.

Dabei ging sie nie durch oder so. Wollte man halten, reichte, wie schon erwähnt, ein leises Whoa! Hypersensibel ist wohl ein treffender Ausdruck für sie, dabei absolut gehorsam. Ganz besonders aufregend waren dann auch die fliegenden Wechsel. Sie konnte umspringen, wie sonst was, regte sich aber ganz fürchterlich dabei auf. Hatte man einen guten, ruhigen Tag erwischt, konnte man, wenn man ganz locker und ruhig saß, schon einmal einen oder zwei Zirkel galoppieren. Ein Wechsel reichte, um den Tag komplett zu versauen. Sie ging noch langsam durch die Diagonale, sprang um und dann „Holla die Waldfee“, ging es ab. Die einzige Möglichkeit, den Tag zu überleben, war sofortiges Durchparieren und Schritt, den langen Zügel mit einer Hand fest auf den Hals gedrückt. Das war das einzige Mittel, sie wieder „herunter“ zu bekommen. Puh! Mir wird heute noch ganz warm, wenn ich daran denke. Tja, das war „meine“ Lady. Ich liebte sie und das schönste war, daß ich mit ihr umgehen durfte, wie mit meinem eigenen Pferd. So betonte ich auch immer wieder, daß ich nie ein eigenes Pferd haben wollte, es sei denn, es wäre die Lady.


Alles Liebe


Eure

Evenhof (8)

Später schlenderten wir erst einmal in Ruhe über die Anlage und schauten bei ein paar Disziplinen zu. Bald wurde es dann auch Zeit, Leo zu satteln. Der kannte das Ganze schon und war die Ruhe selbst. Weder die Fahrerei noch die Turnierluft machten ihm etwas aus. Er ließ sich satteln – Anbinden nicht nötig.

Wolfgang ritt zum Abreitplatz und wärmte sich und Leo langsam auf. Wir saßen am Rande des Turnierplatzes, ließen uns die Sonne auf den Pelz braten und schauten stundenlang den Prüfungen zu. Das Ergebnis ließ sich abends dann auch sehen. Jede Menge blaue und rote Schleifen zierten die Windschutzscheibe des Zugfahrzeuges, als wir nach Hause fuhren.
Nur eins fand ich wirklich komisch: nach den riesigen Klassen, die ich vom A- und L-Springen her kannte, war ich doch erstaunt, daß in der Leistungsklasse in der Wolfgang ritt, nämlich als Profi LK1, nur jeweils ein bis höchsten drei Konkurrenten in jeder Disziplin mitritten und zwei Reiter hieß zwei Platzierungen – es sei denn der Ritt hatte No Score. Mir war noch nicht klar geworden, daß das damals leider fast immer so war. Riesige Klassen bei den Anfängern und bei den Profis hatte man Glück, wenn die Disziplin nicht mangels Teilnahme gestrichen wurde. So gewöhnte ich mir auch ganz schnell an zu fragen: „Zweiter? Und von wieviel Teilnehmern?“

Es spielte sich ganz natürlich ein, daß ich Wolfgang ab jetzt fast immer zu den Turnieren begleitete und es dauerte auch nicht lange, dann war auch Susanne öfter mal dabei, wenn es ihr Familienleben zuließ. Es waren immer wieder nette Ausflüge und wir hatten viel Spaß dabei und waren auch stolz darauf, Wolfgang und seine Pferde zu versorgen – echte Turniertrottel also.

Nach diesen Turnieren träumte ich natürlich davon, einmal mit Lady mitreiten zu dürfen.
Ja und bald hieß es dann auf dem Evenhof: „Wir machen ein Trainingsturnier!“ Juhuu, da wollte ich mitmachen. Es war zu der Zeit, in der Daniela, die ehemalige Reitbeteiligung, noch kam. Sie sagte mir gleich, daß ich das Turnier vergessen sollte. Dabei rege Lady sich ganz fürchterlich auf. Sie sehe da schwarz.



Alles Liebe
Eure

Evenhof (7)

Der Evenhof wurde also langsam zu meinem zweiten zu Hause. Jeden Abend nach der Arbeit fuhr ich dorthin. Praktisch war, daß der Hof auf dem Heimweg lag. Das Wochenende verbrachte ich mit dem Rausstellen der Pferde, mit Putzen, Reiten, Quatschen, Pferde wieder reinstellen, Paddock Abäppeln etc.

Zu Hause kamen langsam die ersten Beschwerden. Boris, mein damaliger Lebensgefährte hätte mich bestimmt gerne öfter und länger gesehen. Aber ständig kam etwas dazwischen. Einmal kam der Tierarzt zum Ultraschall der tragenden Stuten – das hatte ich doch noch nie gesehen. Ein andermal bekam ein Pferd diesen oder jenen Spezialbeschlag – auch hochinteressant. Manchmal kam Heu – da kann man die anderen doch nicht alleine schuften lassen und dann begannen auch die Turniere. Selbstverständlich fuhr ich von Anfang an, so oft mit, wie möglich. Pferde verschönern, Pferde verladen, Satteln, abreiten etc. Alles neu und spannend.



Ich half zu der Zeit einem Springreiter, dessen Pferde zu versorgen, mit allem was dazugehörte. Mit diesen Warmblütern fuhr ich also jedes Wochenende auf Springturniere. Das fing mitten in der Nacht mit Füttern an und vom Verladen übers Fahren bis hin zum Satteln und Schrittreiten war ich für alles verantwortlich. Ich war immer wieder froh, wenn die Pferde wohlbehalten in der Box standen. Von dieser Seite her war mir die Turnierluft gut vertraut.

Gespannt wartete ich auf mein erstes Westernturnier. Wolfgang stellte Leo regelmäßig in den Disziplinen Reining, Westernriding, Trail und Superhorse vor. Damals waren das noch „Böhmische Dörfer“ für mich, heute weiß ich natürlich bestens Bescheid. Wir fuhren also nach Hünxe zum WRR (Western Reiter Rheinland) und ich staunte nicht schlecht, als Wolfgang Paddockmaterial auspackte. „Was hast Du denn vor?“ fragte ich. „Sieh Dich doch mal um. Das ist bei unseren Turnieren so üblich.“ Wer einmal die Hektik bei Springturnieren erlebt hat, weiß, wie mir jetzt zu Mute war. Kein Streß, keine gesattelten Pferde, die stundenlang im Hänger standen. Die Krönung war ein Pferd, das frei auf der Wiese rumlief. „Ich glaube, da ist einer abgehauen“, wies ich Wolfgang darauf hin. „Ach was, der läuft nicht weg. Der steht immer frei rum“, war der einzige Kommentar. Ich bekam den Mund nicht mehr zu. Leo kam auf sein Paddock und wir packten erst einmal die Campingmöbel aus. Doro sorgte für Kaffee und Kuchen. Es war unglaublich, ein Gefühl wie im Urlaub.

Alles Liebe
Eure