Evenhof (9)

Sie selbst meldete sich aber trotzdem mit ihr an und ich durfte an diesem Tag Leo reiten. Das war eine vernünftige Lösung und ich fühlte mich geehrt. Wir übten fleißig in den nächsten Wochen und ich merkte, daß das Turnierreiten gar nicht so einfach ist. Da mußte man erst einmal durch eine Pattern durchkommen, sich die Reihenfolge merken, nicht verreiten, keine Hütchen umwerfen und und und.

Am Tag des Turniers kam es, wie es kommen mußte. Lady war hypernervös und sprang mit Daniela während der Reining aus dem Turnierviereck raus und war daher out of pattern. Daniela hatte ein Einsehen und brachte Lady, die vor Aufregung schweißgebadet war, zurück in ihre Box, damit sie sich abregen konnte. Für sie war der Turniertag vorbei.

Leo und ich schnitten gar nicht so schlecht ab – kein Wunder, war er doch ein alter Turnierhase. Wir waren insgesamt 9. und die Urkunde habe ich heute noch. Tagessiegerin war Sabine, die mit dem gehandycapten Wimpy eine wirklich tolle Figur machte. Sie ritt sehr gut und förderte Wimpy, wo er konnte. Ein wirklich schönes Paar.

»

So vergingen die Tage. Lady und ich, mittlerweile aufeinander eingespielt, kamen immer besser miteinander klar. Beim Reiten fühlte es sich sehr harmonisch an, wenn wir nicht – ja genau! – wenn wir nicht galoppierten.

Denn da hatten wir immer noch unser altes Problem. Kaum war Lady angaloppiert, raste sie auch schon durch die Halle. Auf dem Zirkel, wo man ja wirklich jedes Pferd langsam bekommt, wurde es noch schlimmer. Sie legte sich so in die Kurve, daß ich Angst bekam, sie könnte ausrutschen und fallen. Angst war nie eine gute Idee bei ihr – man mußte schon sehr locker auf ihr sitzen, damit sie sich nicht aufregte. Bei der kleinsten Anspannung, wurde sie schnell. Sie rannte einem einfach unterm Hintern davon. Aber eines verblüffte mich immer wieder: sagte man „Whoa“, stand sie, und zwar sofort.

Überhaupt war sie ein Pferd, daß auf die kleinsten Hilfen reagierte. Und bei den Turns mußte man schon aufpassen, daß man nicht unfreiwillig abstieg, so schnell drehte sie sich auf der Hinterhand. Da Lady dies aber auch ganz besonders aufregend fand, konnte man immer nur ganz kurz an diese Dinge herangehen, da sie sonst aufdrehte und dann war es fast unmöglich, sie auch nur im Schritt weiterzureiten. Ständig zackelte sie dann an und wollte man traben, versuchte sie auf der Stelle zu galoppieren.

Dabei ging sie nie durch oder so. Wollte man halten, reichte, wie schon erwähnt, ein leises Whoa! Hypersensibel ist wohl ein treffender Ausdruck für sie, dabei absolut gehorsam. Ganz besonders aufregend waren dann auch die fliegenden Wechsel. Sie konnte umspringen, wie sonst was, regte sich aber ganz fürchterlich dabei auf. Hatte man einen guten, ruhigen Tag erwischt, konnte man, wenn man ganz locker und ruhig saß, schon einmal einen oder zwei Zirkel galoppieren. Ein Wechsel reichte, um den Tag komplett zu versauen. Sie ging noch langsam durch die Diagonale, sprang um und dann „Holla die Waldfee“, ging es ab. Die einzige Möglichkeit, den Tag zu überleben, war sofortiges Durchparieren und Schritt, den langen Zügel mit einer Hand fest auf den Hals gedrückt. Das war das einzige Mittel, sie wieder „herunter“ zu bekommen. Puh! Mir wird heute noch ganz warm, wenn ich daran denke. Tja, das war „meine“ Lady. Ich liebte sie und das schönste war, daß ich mit ihr umgehen durfte, wie mit meinem eigenen Pferd. So betonte ich auch immer wieder, daß ich nie ein eigenes Pferd haben wollte, es sei denn, es wäre die Lady.


Alles Liebe


Eure

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen