Evenhof (35)

Tja, und dann kamen auch die Tage, die man gar nicht braucht. Lehnchens Besitzer hatten mich mit ihrer Euphorie angesteckt und ich war ganz heiß darauf, Luzie auf einer Fohlenschau vorzustellen. Da diese 1999 noch dünn gesät waren, blieb mir so spät im Jahr nur noch eine Halterprüfung auf der Futurity in Aachen. Ich war so schlecht informiert, daß ich eine Halterprüfung für identisch mit einer Fohlenschau hielt. Hätte ich vorher gewußt, was da auf uns zukam und worum es ging, hätte ich es gelassen. Andererseits lernte Luzie so ganz frühzeitig Hänger zu fahren und ich war sehr stolz als sie zum ersten Mal dem Geräuschpegel und den ganzen Schrecken in dieser großen Halle gelassen standhielt und sich außerordentlich gut benahm.



Anstatt einer vernünftigen und authentischen Bewertung meines Fohlens, die ich gerne gehabt hätte, bekam ich natürlich mit meinem „von der Wiese gerupften“ Fohlen nicht die beste Bewertung und Luzie wurde somit auch nur 4. von 5 Fohlen in ihrer Klasse. Dabei ging es mir eigentlich um eine objektive Bewertung des Fohlens, die ich aber hier leider nicht bekam.

Das Schlimmste war, daß ich Luzie nach dem anstrengenden Wochenende apathisch auf dem Paddock liegend vorfand. Kolik! Hubert kam, sie bekam ein Medikament und mußte die Nacht auf Späne verbringen. Ich blieb mal wieder im Stall und schaute nachts alle paar Stunden nach ihr. Am nächsten Tag ging es ihr glücklicherweise besser und wir konnten wieder zum Alltag übergehen.

Fazit: Ich selbst eigne mich überhaupt nicht für Halterprüfungen und für Luzie war das Ganze viel zu aufregend.

Eine Weile später sollten neue Späne für die Paddocks geliefert werden. Luzie und Lehnchen standen auf Gras-/Matschboden aber der Unterstand war mit Rindenmulch bzw. einer Art Hackschnitzel eingestreut. Alle Einstaller wurden gefragt, ob sie neue Späne wollten und Wolfgang machte eine Sammelbestellung. Ich wollte keine, da noch ausreichend vorhanden waren und die im Unterstand nicht besonders litten. Nach dem teuren Turnier, wollte ich hier wieder etwas Geld einsparen. Neue Späne waren aber auch objektiv gesehen zu dem Zeitpunkt wirklich nicht nötig. Leider verursachte das auch wieder unterschwellig Ärger, weil ich nicht mit dem Strom schwamm.

Die Häcksel wurden bei einem Reitbodenhersteller bestellt und sollten ausdrücklich für Pferde geeignet sein. Ein paar Tage später lag der große Haufen vor dem Hof. Wolfgang verteilte ihn mit Hilfe einiger Leute auf den Paddocks und trotz meiner Ablehnung bekamen auch unsere Fohlen neue Späne in den Unterstand. War es ein netter Zug von Wolfgang oder würde eine Rechnung folgen? Ich warte gespannt oder besser angespannt darauf.

Aber so weit kam es gar nicht. Nachmittags, die Pferde standen vielleicht eine Stunde auf den neuen Spänen, kamen die ersten beunruhigenden Meldungen. Lady liegt auf dem Paddock, Leo auch. Schon wieder Kolik! Weitere Pferde zeigten Symptome. Ach Du Scheiße, was war denn hier los? 14 Pferde zeigten mit der Zeit Koliksymptome – es war wie im Horrorfilm.

Und meine hatte auch Späne bekommen, dabei wollte ich die doch gar nicht. Was, wenn sie auch von den Spänen gefressen hatten? Vergiftungen können sich bei jungen Pferden besonders katastrophal auswirken.

Die Pferde wurden alle sofort in ihre Boxen gebracht. Drei Tierärzte eilten auf den Hof und behandelten die Koliker. Bei den meisten Patienten reichte eine einmalige medikamentöse Gabe. Nur Lady und Leo ging es besonders schlecht. Sie wiesen hochgradige Vergiftungserscheinungen auf und bekamen Infusionen. Lady hat sich danach ganz langsam wieder bekrabbelt aber Leo ging es nie wieder so gut, wie vorher. Seit diesem Tag ist er schlagartig gealtert und hat starke Schwierigkeiten mit dem Fellwechsel – fast so wie ein Cushing-Patient und muß im Winter und sogar im Sommer geschoren werden.

Luzie und Lehnchen hatten Glück. Sie hatten wohl die Späne noch nicht angerührt.

In den nächsten Tagen wurden die Schnipsel komplett entfernt. Soviel ich weiß folgten Rechtsklagen gegen den Lieferanten und die Pferde haben seitdem, bis auf Ausnahmen wieder Sand auf den Paddocks.


Lieben Gruß
Eure

Evenhof (34)

Luzie wuchs täglich und ich machte weiterhin viele Fotos. Junge Pferde verändern sich ständig. Es gibt einen Spruch, der besagt, man könne 3 Tage, 3 Monate und 3 Jahre nach der Geburt sehen, wie ein Pferd proportional aussehen wird, wenn es fertig ist. So machte ich an diesen Geburtstagen besonders viele Fotos. Außerdem hatte ich meine Kamera im ersten Jahr an jedem 17. dabei und danach an jedem Geburtstag. Ich wollte ganz genau dokumentieren, wie Luzie wuchs und gedieh.

Als wir uns dem Zeitpunkt des Absetzens näherten, fingen wir an, ein Beistellfohlen zu suchen und dank Hubert, dem TA, fanden wir auch ganz schnell eine passende Gelegenheit: Lehnchen!

Sie war genau einen Tag älter als Luzie und sollte zum Absetzen zu uns kommen. Sie kam von einer kleinen, aber sehr feinen privaten Zucht aus der Gegend und für ihre Besitzer war es aus Platzgründen die bessere Möglichkeit, sie zu uns zu geben, für mich und Luzie ideal.

Lehnchen stieg aus dem Hänger, und hatte ich mein Fohlen bisher als sehr schön empfunden, verblasste sie erst einmal hinter diesem leuchtend fuchsroten kleinen Muskelpaket. Was für ein schönes Fohlen!

Luzie und Lehnchen teilten sich von da ab die Box und das Paddock. Lady blieb draußen in der Abfohlbox, die auf die Hälfte verkleinert wurde und die beiden Kleinen kamen nach Drinnen in Ladys alte Box. Lady kam täglich auf ihr altes Paddock zu Leo – vor dem Hof und die beiden Kleinen standen auf dem großen Paddock nach hinten heraus. So kamen sich Mutter und Tochter nicht in die Quere und bald nach dem Absetzen herrschte auch schon Ruhe.

Ich mußte mich noch eine Weile um Ladys Euter kümmern, bis keine Milch mehr einschoß um Probleme zu verhindern, aber ansonsten war alles wie vor der Geburt. Nach dieser langen Zeit sattelte ich Lady und setzte mich drauf ohne vorher ans Ablongierten nur zu denken. Sie war stockbrav und so kamen wir schnell wieder in unseren alten Rhythmus. Ich behielt natürlich die Reitbeteilung bei, denn ich wollte ja auch in den nächsten drei Jahren nicht auf das Reiten verzichten.

Es wurde ganz schön viel, zwei Pferden gerecht zu werden. Nicht nur die Bewegung, alles drum herum mußte ja auch noch erledigt werden. Bis dahin bin ich freiwillig samstags und sonntags früh aufgetaucht, um Pferde herauszustellen, sei es auf das Paddock, sei es auf die Wiese. Nun mußte ich kommen. Früher habe ich ein Paddock und eine Weide abzuäppeln. Nun hatte ich jeweils zwei. Lehnchen war ohne „Anhang“ auf dem Hof, also übernahm ich auch die Pflichten für sie. Doro nahm mir zwar Ladys Paddock oft ab und später teilten sie mich auch nicht mehr für ihre Wiese ein, aber es blieb trotzdem noch viel Arbeit.



Lieben Gruß
Eure

Evenhof (33)

In dieser Zeit merkte ich langsam, daß es etwas anderes war, ein Pferd zu besitzen, als „nur“ Reitbeteiligung zu sein. Plötzlich ist man verantwortlich und Entscheidungsträger. Und es wird sehr schwierig, wenn man, so wie ich, möglichst alles perfekt machen möchte. Egal worum es ging, ich war jetzt diejenige, die die Verantwortung zu tragen hatte. Und ich machte es mir nicht leicht. Das Fohlen sollte möglichst gut aufwachsen, möglichst gute Erfahrungen machen und dabei möglichst perfekt erzogen und später möglichst perfekt ausgebildet werden. (Ich glaube, dies ist die Stelle, an der man deutlich merken kann, daß ich keine Kinder habe.) Dabei war mein Budget begrenzt und ich war oft gezwungen Kompromisse einzugehen.

Ich hatte früher zum Beispiel nie einen Gedanken daran verschwendet, wann, wie oft, bei welchem Wetter und ob überhaupt, Lady auf das Paddock oder auf die Wiese kam. Nun gebot mir mein Gewissen, daß Luzie möglichst täglich und bei jedem Wetter, so lange, wie möglich raus sollte. Mein Fachbücher, die mich mit dem nötigen Wissen versorgten, taten das ihrige dazu. Nachdem ich einmal gelesen hatte, daß Fohlen den Grundstock für ihre Gesundheit in den ersten fünf Monaten legten, war es um meine Ruhe geschehen. Ich wollte späteren Schaden abwenden und bestand darauf, Luzie bei Wind und Wetter herauszustellen, damit sie ihren Bewegungsapparat und ihre Lungen möglichst perfekt trainieren konnte. Wolfgangs und Irecs Einwände – das Fohlen würde bei Regen krank – wollte ich nicht einsehen. Unsere Meinungen prallten förmlich aufeinander. Sie saßen am längeren Hebel, stellten sie doch morgens die Pferde raus. Ich wurde sauer und schon fingen die ersten Diskussionen an.

Eines Tages kam Gary, Luzie war ca. 2 Wochen alt, und schaute sich die Kleine an. Er ging zu ihr in die Box, legte seine Arme um sie und hielt sie fest. Ui, die beiden flogen nur so durch die Box aber Gary lies nicht los – so lange, bis die kleine Luzie wieder ganz ruhig stand und sich mit der Situation abgefunden hatte. „Das hättest Du schon viel früher machen sollen. Im Alter von zwei Wochen ist es fast zu spät dafür, sie werden zu stark“, war Garys Kommentar bevor er mir half, das Ganze zu wiederholen. Nun mußte ich sie festhalten, bis sie ruhig stand und ich durfte nicht loslassen. Wir flogen alle drei durch die Box und schafften das Unmögliche – ich lies nicht los und Luzie fügte sich in ihr Schicksal. Ich glaube, das war einer der wichtigsten Tage in ihrem Leben. Da hat sie gelernt bei mir zu bleiben.

Zum Thema „Fohlen führen“ gibt es lauter verschiedene Meinungen. Bei uns wurden die Fohlen nie freilaufen gelassen aber auch nicht am Halfter geführt. Wir legten einen Strick wie eine Acht um den Körper und versuchten damit die Fohlen unter Kontrolle zu bekommen. Als Luzie ca. 1 Monat alt war, legte ich ihr zum ersten Mal ein Halfter an. Ich wollte sie langsam daran gewöhnen, geführte wurde sie immer noch als Schnürpaket. Das war witzig, so in etwa wie eine hüpfende Handtasche an der Hand. Nach einiger Zeit machte ich den Strick dann am Halfter fest, führte aber immer noch mit dem Pakettrick, um dann immer mehr Einwirkung über das Halfter zu bekommen. So wurde Luzie schon recht früh ganz brav halfterführig.

Ich kümmerte mich weiterhin ganz liebevoll um Lady und putzte dabei die kleine Luzie ganz selbstverständlich auch mal mit. Nach einiger Zeit fing ich an, die Mama aus der Box zu holen und davor anzubinden, um die beiden an eine kurze Trennung zu gewöhnen. Lady sollte bald wieder geritten werden und Luzie durfte dabei nicht frei in der Halle laufen, wie es bei anderen Züchtern schon mal üblich ist. Ich holte auch schon mal Luzie aus der Box und lies die Mama drin. Die beiden konnten sich immer sehen, aber es war eben die Boxenwand dazwischen.

Dann lief ich oft auf dem Paddock rum und legte immer mal meine Jacke über Luzies Rücken oder legte meine Arme von oben um den Brustkorb und übte sanften Druck aus. Sie sollte sich daran gewöhnen, daß etwas auf ihr liegt, wie z. B. eine Decke oder später der Sattel und ich gewöhnte sie vorsichtig an Druck in der Gurtlage.

Alles dies war etwas Neues für die Leute am Stall, und ich wurde mit Argusaugen beobachtet. Die einen fanden es viel zu früh, die anderen lobten, daß Luzie mir nicht so auf der Nase herumtanzte, wie andere Fohlen es in dem Stall zuvor getan hatten. Ich fühlte mich auf dem richtigen Weg, aber ich dachte mir Luzie sei nur deshalb so brav, weil sie eine Stute ist und kein Hengst.



Ich weiß heute noch nicht, woran es lag; hatte ich mich verändert oder war es weil ich jetzt nicht mehr nur als Reitbeteiligung sondern als Pferdebesitzerin mit Verantwortung handelte? Keine Ahnung! Leider verschlechterte sich von Luzies Geburt an, das Verhältnis zu Wolfgang und Doro ganz unmerklich von Tag zu Tag und die euphorische Stimmung vor der Geburt des Fohlens schlug ganz langsam ins Gegenteil um. Es war teilweise ein ganz schreckliche Zeit für mich, aber ich war jetzt nun einmal die Verantwortlich und wollte immer nur das Beste für mein Pferd und eckte damit immer und immer wieder an. Andere Einstaller taten das ihrige dazu, indem sie mich lobten und Wolfgang kritisierten. Das kam ihm natürlich zu Ohren und gab unserer Freundschaft den Rest.

Ich habe noch eine ganze Weile danach ganz oft bereut, daß ich ausgerechnet dieses Fohlen bekommen habe, dann damit war alles das Schöne, was vorher war, in die Brüche gegangen. Ich hatte später zwar noch das Pferd, welches ich sehr liebe und über das ich sehr glücklich bin, aber alles andere war futsch.

Lieben Gruß
Eure

Evenhof (32)


Drei Tage blieben Mutter und Tochter in der Box. Wir holten sie nur abends heraus, um sie in der Halle laufen zu lassen. Wolfgang hatte das schon immer so gemacht, um die Fohlen nicht direkt zu sehr zu belasten. Wir hatten damals vereinbart, daß es mein Pferd sein sollte, aber das er in den ersten Monaten ein Mitspracherecht hatte. Denn vom Züchten und Fohlen großziehen hatte ich keine Ahnung und verließ mich gerne auf ihn.

Nach drei Tagen waren die rosa Stellen übrigens dunkelgrau geworden und so ist da auch heute noch. Puh, so viel Rosa hätte ich nicht haben wollen, aber ich glaube, letztendlich hätte es mich auch nicht wirklich gestört.

Dann kam der Moment, als Luzie zum ersten Mal raus durfte. Wolfgang hatte netterweise sein überdachtes Paddock zur Verfügung gestellt, damit die Kleine nicht naß wurde, wenn es regnete. Es war wieder so ergreifend. Alle anderen Pferde standen schon draußen und wie ein eingespieltes Begrüßungskomitee schauten alle ganz gebannt in Luzies Richtung, als sie durch das Tor kam. Ein freudiges Wiehern und Brummeln erfüllte die Luft. Alle Pferde wollten sie sehen und begrüßten sie lautstark.

Als Luzie eine Woche alt war, lies Wolfgang sie dann auch endlich auf die Weide. Wir hatten bis zum frühen Abend gewartet und die Sonne stand schon tief. Ihr könnte Euch meinen Schock vorstellen, als Luzie schnurstracks in vollem Galopp auf den westlichen Zaun zulief und auch nicht stoppte, als sie, das komplette E-Band hinter sich herziehend, den Zaun durchbrach und nun aufregend auf der Nachbarwiese herumlief. Lady hatte die Aktion nicht richtig mitbekommen, denn sie war so scharf auf das Gras, aber nun wurde sie aufmerksam und sauer und galoppierte zusammen mit ihrer Tochter, die sich auf der anderen Seite befand, am Zaun auf und ab. Es war eine riesen Aktion, die beiden wieder zusammen zu bekommen und von da ab wurde der Zaun verstärkt und die Fohlen kamen nie wieder abends, wenn die Sonne blendete und den Zaun damit verdeckte, zum ersten Mal auf die Wiese. Der Schock war groß, aber es war weiter nichts passiert. Gott sei Dank!

Von da an gingen die Beiden täglich zusammen mit anderen Pferden für ein paar Stunden auf die Wiese und hinterher auf ein schönes großes Paddock mit Unterstand.



Lieben Gruß
Eure

Evenhof (31)


Evenhof (30)

Nachdem die Geburt so fabelhaft überstanden war - die Nachgeburt war weg, der Tierarzt zufrieden, das Fohlen geimpft - war es mir ganz wichtig, daß die Kleine so schnell, wie möglich einen Namen bekam. Ich machte es mir also am nächsten Tag zur Aufgabe, einen schönen Namen zu finden. Den ganzen Tag grübelte ich rum und fragte alle aus. Ich weiß noch, ich liebäugelte ein wenig mit Barbie – aber das war mir zu sweet. Frech sollte er sein und am liebsten hätte ich einen Namen mit L – wie Lady - gehabt. Susanne war mal wieder meine Rettung: „Luzie findest Du ja doof.“ „Mhm, Luzie – gar nicht schlecht.“ Ich fing an nachzudenken. Der Wortstamm kam einerseits von Luzifer dem Teufel – vielleicht kein gutes Ohmen, aber frech – und andererseits von Luzifer dem Morgenstern – das klang nett und hatte ich nichts als erstes ihren kleinen Stern auf der Stirn bemerkt? Luzie! Ja, das war es. So sollte die Kleine heißen. Mit Kreide schrieb ich es stolz an die Box:

„Lady & Luzie“

Lieben Gruß
Eure

Evenhof (29)

Mittlerweile war auch Susanne eingetroffen, die die Geburt an sich leider verpaßt hatte. Sie und ich frotzelten gerne herum. Auf Turnieren konnte man oft Pferde sehen, die mit viel rosa Haut bestückt waren. Das war uns beiden ein Graus. Vor allem, wenn das Maul und der After rosa waren, konnten wir das beide nicht ausstehen.

Susannes neckende Worte: „Es ist ja ganz rosa!“, klingen mir heute noch in den Ohren. Was wir hier vor uns sahen, war ein kleines naßes Ding mit rosa Haut, soviel man wollte. Rosa um die Augen, rosa um die Nüstern, rosa am Hintern. Ich verteidigte das Kleine so gut es ging: „Das wird noch grau.“ „Es ist rosa!“ „Das ändert sich noch.“ „Rosa, rosa, rosa“, so ging es eine ganze Weile hin und her. Es war ein liebevolles Frotzeln – nicht das Ihr das jetzt falsch versteht – niemand war gespannter auf dieses Fohlen als Susanne und niemand freute sich mehr mit mir als sie.

Vor lauter Frotzelei und Freude hatten wir eines noch nicht getan. Ich kniete vor dem kleinen Etwas im Stroh, es war bestimmt schon eine halbe Stunde alt, und wußte immer noch nicht, ob es Männlein oder Weiblein war. Ich war gespannt, wie ein Flitzebogen und diese Spannung wollte ich noch ein ganz klein wenig erhalten.

Letztendlich schaute ich nach, glaubte es kaum, was ich da sah und hörte mich mit heller Stimme überrascht und aufgeregt rufen: „Es ist ein Stütchen!“.

Ich glaube, Wolfgang wurde in dem Moment blaß. Niemand wünschte sich so sehr ein Stutfohlen, wie er. Vier Fohlen waren bereits auf dem Hof geboren und alle waren Hengste. Man witzelte schon, Lady kann nur Jungs und Wolfgang kann nur Hengste züchten. Und jetzt das. Ausgerechnete das Fohlen, welches von Anfang an meines war, war nun ein Stutfohlen. Damit hatte er nicht gerechnet und ich rechne es ihm heute noch an, daß er nie ein Wort darüber verloren hat.

Ich war überglücklich, das könnt Ihr Euch vorstellen. Meine Kamera in Griffweite machte ich so viele Bilder, wie ich konnte. Diese schönen Momente wollte ich fürs Leben festhalten. Und hier ist sie auf einem der ersten Bilder, die von ihr gemacht wurden:




Lieben Gruß
Eure

Evenhof (28)

Am 17. April 1999 saßen wir mit einigen Leuten im Stübchen und feierten Freckles 8 Geburtstag. Es gab Sekt und Knabbereien. Wir beobachteten den Bildschirm genau, denn Lady war an diesem Tag irgendwie komisch und unruhig. Sollte das Fohlen heute Abend noch kommen, wäre das besonders witzig, denn dann hätten nicht nur Freckles Besitzerin Jutta und ich mit acht Jahren Differenz am selben Tag Geburtstag, sondern dann wäre es bei ihrem Pferd Freckles und meinem Fohlen auf den Tag genau die gleiche Differenz.

So gegen 21 Uhr, Irec hatte gerade Heu gefüttert und im Stall war Ruhe eingekehrt, sah man auf dem schwarz-weiß-Monitor plötzlich etwas weißes unter Ladys Schweif heraushängen. Es handelte sich tatsächlich um die Fruchtblase. Die Geburt hatte begonnen.

Susanne, die nur kurz etwas erledigen wollte, war noch nicht zurück. Ich rief erst den Tierarzt und dann sie an um die Neuigkeit zu berichten. Beide machten sich auf den Weg und ich kann schon verraten, sie schafften es nicht mehr rechtzeitig mitzuerleben, wie das kleine Etwas geboren wurde.

Wolfgang und ich schlichen in die Box, nachdem Lady sich gelegt hatte, denn etwas schien nicht zu stimmen. Es war nur ein Bein zu sehen. Zu dem Zeitpunkt konnte Lady die Geburt nicht mehr unterbrechen, von daher bildete unsere Anwesenheit keine Gefahr für das Fohlen. Und die Stute kannte uns beide so gut, um vertrauensvoll unsere Anwesenheit zu registrieren.

Wolfgang mußte eingreifen. Das zweite Bein war nicht zu sehen, aber das hatte er schnell korrigiert. Das Föhlchen rutschte aus der Mama und ich konnte sehen, daß es hell war. Wolfgang riß die Fruchtblase auf, die über seiner kleinen Nase lag. Es holte die ersten Luftzüge. Ich registrierte den kleinen Stern und die hellen Hufe. Mein Fohlen – es war endlich da. Wir rubbelten es noch etwas mit einem Handtuch ab um es dann in Ruhe zu lassen.



Lieben Gruß
Eure



Evenhof (27)

Ich hatte derweil aufregende elf Monate vor mir. Lady wurde von mir gehegt und gepflegt. Hatte ich mich vorher schon intensivst um sie gekümmert, gab es jetzt – während ihrer Trächtigkeit - tatsächlich noch eine Steigerung. Wahnsinn! Es waren tolle elf Monate in denen ich viel Zuspruch bekam. Ich glaube, alle freuten sich mit mir und waren ebenso gespannt wie ich, was da wohl herauskommen würde. Sam, geboren 1997, war prima gelungen. Er war recht klein und kompakt und wuchs sehr gleichmäßig. Ich glaube, er war nie richtig überbaut oder so. Der kleine Palomino war eine perfekte Mischung aus seinen Eltern. Es bestand also die berechtigte Hoffnung, daß die Anpaarung noch einmal funktionierte.

Fast jeden Abend, wenn ich Lady putzte und zum Reiten fertig machte, wurde ich angesprochen: ob ich nervös sei, ob ich gespannt sei, welches Geschlecht ich mir denn wünschten und was ich denn vorhätte? Die Anderen lebten diese schöne Zeit mit mir.

Ab achtem Monat wurde Lady zusehends dicker. Wir mußten vorsichtig sein, sie hatte schon einmal ein Fohlen verloren, ausgerechnet an Heiligabend. Das sollte diesmal auf keinen Fall passieren. Ich begann damit, sie zu schonen und paßte auf, daß sie sich nicht aufregte, aber das war mir ja sowieso schon in Fleisch und Blut übergegangen.

Jeden Abend verwöhnte ich sie mit Obst und Gemüse, Möhren, Äpfel, Orangen oder Bananen, was der Supermarkt so hergab. Ich maß ihren Bauchumfang regelmäßig und ab der letzten Woche vor dem ausgezählten Datum fing ich an, Ihre Temperatur zu messen. Sie hatte die letzten Fohlen alle recht pünktlich bekommen. Ich wußte die Daten der Bedeckung und des Abfohlens von den vorhergeborenen 3 Fohlen. Damit rechnete ich mir ein ungefähres Geburtsdatum aus. Ich kann mich noch daran erinnern, daß in dem Jahr eine Equitana war, und ich weiß noch, daß ich nach einem Besuch dort in den Stall fuhr, um nach Lady zu sehen. Ab ungefähr diesem Zeitpunkt habe ich dann im Stall übernachtet. Ich wollte die Geburt auf keinen Fall verpassen und nach Hause waren es immerhin 20 Minuten. Da konnte im Ernstfall dann schon alles passiert sein.

Ich wollte natürlich alles perfekt machen. Ich las jede Menge Bücher und informierte mich über Fohlengeburten, wo ich nur konnte. Frühzeitig packte ich Ladys „Tasche“ – den Eimer mit Handtuch, Saugflasche, Desinfektionsmittel und was man sonst noch alles so braucht.

Wolfgang stellte eine Kamera auf und unser Stübchen wurde mit einem Fernseher und einem Gästebett ausgestattet, welches ich mir jeden Abend, wenn alle weg waren, aufbaute. Ich verbrachte von nun an meine Nächte damit, mir auf alle 1,5 Stunden den Wecker zu stellen, um dann kurz hochzuschrecken und einen Blick auf den Monitor zu werfen. War alles ruhig, schlief ich direkt weiter, war etwas besonderes, ging ich nachschauen. Ich glaube, in der ganzen Zeit war es vielleicht ein- oder zweimal nötig, daß ich nach draußen mußte. Ansonsten blieben mir zahlreiche Gelegenheiten in Erinnerung, bei denen ich längere Zeit über den Bildschirm nachschaute, was Lady so treibt.

Jetzt kommt es mir fast unwahrscheinlich vor, daß ich – wenn ich mich nicht täusche – und ich glaube nicht, daß ich das tue – ganze 6 Wochen lang damit verbracht habe, mir Nacht für Nacht alle 1,5 Stunden den Wecker zu stellen um nach der Stute zu schauen.

In ganz besonders dankbarer Erinnerung ist mir auch geblieben, daß Irec und Christina mir nicht nur ganz selbstverständlich jeden Morgen ihr Badezimmer zur Verfügung stellten, so daß ich mich vor der Arbeit wenigstens noch duschen konnte, ohne den weiten Heimweg antreten zu müssen, sondern daß Christina mir zu allem Überfluß auch noch fast täglich ein kleines Frühstück anbot.



Lieben Gruß
Eure

Evenhof (26)

Die Fahrten zum Hengst waren aber nicht die einzigen, die wir unternahmen. Tivio, der mit seinen drei Jahren erst eine kurze Basisausbildung hinter sich hatte, war recht dominant und brauchte eine solide Ausbildung. Nachdem Susanne zuerst einen Flop mit einem Trainer erlebt hatte, sollte er nun zu Gary zur Ausbildung. Mit ihm war auch alles abgesprochen, als wir uns eines schönen Tages auf den Weg machten. Tivio ließ sich sehr gut verladen. Ich hatte damals einen alten Mercedes mit Anhängerkupplung, den Hänger hatten wir uns von Mingo geliehen.

Jetzt war es an Susanne, nervös zu sein. Ständig schaute sie nach hinten und seitwärts aus dem Fenster, um sicherzugehen, daß ich auch nirgends anrempelte. Tivio hingegen merkte man nicht. Es war, als wäre der Hänger leer, so ruhig stand er.

Bei Gary angekommen, stellten wir fest, daß wir auf einen recht engen Innenhof fahren mußten. Wir luden Tivio hier aus und erkundigten uns nach seiner Box. Ein kleiner junger Mann in einem Overall teilte uns mit, daß wir das Pferd in den Stall bringen sollten. Wir gingen rein, und stellten fest, daß alle Boxen belegt waren. Das wollten wir dem Herrn dann auch mitteilen, aber leider war er mittlerweile verschwunden. Wir suchten ihn und eine Weile später fanden wir ihn dann auch. Auf unsere Bemerkung, wo Tivio denn nun hinsollte, holte er kuzerhand ein Pferd aus der Box, sagte: „Stellt ihn hier hinein“ um mit dem Pferd an der Hand wieder zu verschwinden. Susanne und ich schauten uns ganz perplex an. „Will er denn die Box nicht wenigstens saubermachen?“

Ich mußte dann mal dort hin, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht und als ich auf dem Rückweg um die Ecke kam, sah ich Susanne mit dem Herrn, der sich dann auch noch als Chef der Anlage herausstellte, lamentieren. Ich ahnte böses und bevor ich noch beschwichtigend einschreiten konnte, wurden Susanne und ihr Pferd kurzerhand vom Hof geworfen. Hatte sie sich doch erdreistet, zu fragen, ob sie denn nicht angemeldet gewesen sei. Daraufhin bekam sie zu hören, daß wegen ihr ja schließlich ein Pferd die Nacht auf der Weide verbringen müsse. Was sie denn wolle. Ein Wort gab das andere und wir konnten Tivio direkt wieder einladen. Gary hatten wir in leider auch noch nicht entdeckt und so waren wir froh, und Susanne sogar ganz stolz, als sich Tivio problemlos wieder verladen ließ und wir schnurstracks den ungeliebten Ort wieder verließen.

Das war vielleicht ein Schock und auf der ganzen Rückfahrt fluchten wir wie die Rohrspatzen, was der sich denn einbilden würde. Wieder auf dem Hof erzählten wir unsere Geschichte, aber so richtig glaubte uns niemand, denn der besagte Anlagenbesitzer war recht bekannt und von dieser Seite kannte man ihn noch nicht. Noch lange Zeit später, war dieser Vorfall immer wieder Gesprächsthema bei Susanne und mir. Tivio kam dann letztendlich zur Grundausbildung auf eine Anlage in Ratingen, wo es ihm, Susanne und nicht zuletzt Annabella sehr gut gefiel.


Lieben Gruß
Eure

Evenhof (25)

In den nächsten Tag konnte ich an nichts anderes mehr denken. Alles drehte sich um die eine Frage: „Kann und will ich mir das erlauben? Möchte ich ein eigenes Pferd?“ Das hatte ich bis dato ja immer verneint. Die Reitbeteiligung war mir immer genug. Man hat mit nix was am Hut und kann immer reiten. Ist doch ideal. Und von den Kosten her ist eine Reitbeteiligung sowieso viel günstiger. Der einzige Gedanke, der mich davon abhielt, abzulehnen, war: „Es wäre Ladys Fohlen. Diese Chance bekommst Du nie wieder.“ Ich rechnete und rechnete. Redete zu Hause darüber und kam - natürlich - zu dem Entschluß: „Ich tue es!“

Nach zwei Wochen Bedenkzeit sprach mich Wolfgang wieder an. Ich sollte ihm jetzt bald mal etwas sagen, da Lady bald wieder in die Rosse käme und wir dann ja noch ein paar Vorbereitungen treffen müßten. Ich sagte also zu, nachdem ich eine Frage geklärt hatte: „Was ist, wenn es ein Stutfohlen wird?“ „Egal, es wird deins sein“, war die Antwort, wohl in dem festen Glauben „Lady kann nur Jungs!“

Zufälligerweise wurde Lou, die ja auch noch einmal besamt werden mußte, prompt so ungünstig rossig, daß Wolfgang, der auf Dienstreise war, den Samen nicht rechtzeitig besorgen konnte. Also bot ich mich an. „Ach weißt Du, Du kennst ja den Hermann schon und warst schon einmal dort. Hänger fahren kannst Du auch. Hättest Du nicht Lust, den Samen von der Jomm-Ranch zu holen, und Lady auf dem Weg dorthin gleich beim Hermann Kind abzuliefern?“ Ich war platt. Welche Ehre, sein Pferd ganz alleine transportieren zu dürfen. Ein toller Vertrauensbeweis. Klar würde ich das tun. Lady war zwar noch nicht rossig, aber sie konnte ruhig ein paar Tage länger bei ihrem Hengst stehen. Schaden konnte es nicht und Platz war dort genug vorhanden.

Es war eine schöne Fahrt. Ich war aufgeregter als je zuvor. „Meine Lady“ stand ja auf dem Hänger. Oft wurde sie ja nicht herumgefahren aber wenn, dann fast immer nur zum Hengst. Susanne, die mich natürlich begleitete, paßte aber gut auf mich auf und zusammen schafften wir es, das Pferd gut abzuliefern und den Samen von der Jomm-Ranch zu besorgen. Witzigerweise wurde Lady wieder prompt rossig, sobald sie „Ihren“ Jac sah.

Eine Woche später holten wir sie wieder ab. Die Ultraschallbilder drei Wochen später bescheinigten uns ihre Trächtigkeit. Wie immer, sah man Zysten auf den Bildern, so daß ein paar Wochen später noch einmal geschallt wurde, um eine Zwillingsträchtigkeit, zu der Lady ja leider neigte, auszuschließen. Aber auch diese Bilder zeigten einen ganz normalen Verlauf. „Mein Fohlen“ war in diesem Bauch.

Übrigens nahm Lou wieder nicht auf. Es würde also auch 1999 wieder nur ein Fohlen auf dem Evenhof geben. Erst zwei Jahre später, Wolfgang hatte sich nun entschlossen, Lou zu sedieren und dann doch noch einmal zu verladen und auf der Jomm-Ranch decken zu lassen, wurde sie wieder tragend. Sie bekam später noch zwei weitere Fohlen.


Lieben Gruß
Eure