Evenhof (10)

Irgendwann hieß es dann auf dem Evenhof: „Jean-Cleaude kommt!“ Gemeint war Jean-Cleaude Dysli, zu dem Wolfgang ein ganz besonderes Verhältnis hatte, weil er bei ihm gelernt hat, was er konnte und auch Leo war aus seiner Zucht. J.C.D. würde einen Kurs abhalten. Leider war der direkt überbucht und überschritt auch mein Budget. Ich war absolut motiviert, etwas zu lernen. Hier durfte ich leider nur zuschauen. Aber auch das war schon ein Erlebnis.
Die Kurse nahm Wolfgang dann meistens zum Anlaß, seine Anlage in Schuß zu bringen. Also fand man uns: Susanne, Sabine, Simone und all die anderen meistens mit Besen und Staubsauger bewaffnet in der Halle oder auf der Balustrade, die wir vom Staub befreiten. Wir hatten in der Regel jede Menge Spaß dabei und halfen gerne. Und am Kurstag fanden wir uns dann, heißen Kaffee trinkend und leckeren Kuchen essend, auf der Balustrade ein und verfolgten gespannt den ein oder anderen Kurs von oben.

J.C.D beeindruckt uns immer wieder. Er setzte sich auf ein Pferd, blieb mit ihm einfach nur stehen und erzählte aus seinem immensen Wissen. Jetzt im Stand erfühlte er genau, wo der springende Punkt bei den Pferden war und teilte uns den dann auch gleich mit. Alle Pferde gewannen an Ausstrahlung, sobald Jean-Cleaude draufsaß und die Reitschüler nahmen immer etwas aus seinen Kursen mit. Seine Reitweise ist heute nicht mehr modern, aber ich wäre froh, wenn ich doch noch einmal einen Kurs bei ihm mitreiten könnte. Leider ist es nie dazu gekommen.

Aber er war nicht der einzige, der zum Evenhof kam. Im Laufe der Jahre wurden Kurse mit Bekannten Namen wie: Bernie Höltzel, Lyle Jackson, Bozo Rogers, Christoph Lesch, Morey Fisk, Thomas Lik und nicht zuletzt ganz regelmäßig mit Gary Marble angeboten. Und jedesmal stellte Wolfgang Lady vor und bat um Rat. Und alle sagten erst: „Kein Problem“ um dann frustriert aufzugeben, wenn sie mal wieder ausflippte. Selbst der gute alte Gary, der nach vielen Stunden Unterricht, die wir miteinander verbrachten, einmal selbst drauf sollte, weil er mir nicht glaubte, stieg hinterher ab und sagte nur so in etwa: „Und ich dachte immer es läge an Dir. Du bist doch eine bessere Reiterin, als ich dachte.“

Das Turnierreiten hatte ich mir dann auch abgeschminkt. Aber was dann kam, war auch nicht schlecht. Denn Wolfgang beschloß, daß Lady wieder ein Fohlen bekommen sollte. Immer und immer wieder ließ er sie decken. Der Hengst Speedy Chex war sein Favorit und er hätte so gerne ein Fohlen von den beiden gehabt, welches dann ja auf King zurückgegangen wäre. Anscheinend war das dann doch nicht die ideale Anpaarung, denn was immer er auch veranstaltete – Lady wurde einfach nicht mehr tragend. Bei Wimpy und Nicki hatte es keine Probleme gegeben, aber als Wolfgang sie das erste Mal von Speedy Chex decken ließ, verfohlte sie an einem Heiligabend, lange vor meiner Zeit, im achten Monat. Es wäre das Stutfohlen gewesen, welches Wolfgang sich so sehr wünschte. Auch weitere Zuchtversuche mit diesem Hengst waren erfolglos. Sie wurde tragend – mit Zwillingen. Eines mußte „abgedrückt“ werden, das andere folgte dem Gang der Dinge. Ein weiteres Mal wurde sie tragend, aber auf dem zweiten Ultraschall war nichts mehr zu sehen – Resorption. So ging es weiter und weiter. Die Hoffnung auf ein weiteres Fohlen aus der Lady schwand langsam. Es war immer wieder spannend, Wolfgang auf der Fahrt zum Hengst mit Lady zu begleiten. Um so trauriger war es jedesmal, wenn es hieß – resorbiert – nicht tragend – kein Fohlen – und wieder ein Jahr warten.

Alles Liebe
Eure

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