Evenhof (39)

Und schon spielte sich alles wieder ein und es war fast wie früher. Ach, es gab doch nichts schöneres, als sonntags, am besten noch im Winter, mit allen im Stübchen zu sitzen und Kaffee zu trinken, Kuchen zu essen, zu quatschen und um vier – halb fünf zusammen die Pferde reinzuholen. Oder, wenn Heu kam, zusammen auf dem Heuboden zu stehen und Ballen zu stapeln, dabei liebevoll herumzufrotzeln und hinterher zusammen den obligatorischen Nudel- oder Kartoffelsalat und Schnitzel zu essen.

Mit Luzie kam ich dann auch ein Stück weiter. Ich hatte sie oft an der Hand und versuchte, ihr so viel wie möglich beizubringen.

Einmal stellten wir uns quer zur Straße an das Hoftor und lernten zusammen Autos kennen. Luzie verhielt sich prima. Beim ersten Auto sprang sie noch panisch nach hinten, auf das zweite reagierte sie schon viel gelassener und schon bald blieb sie ruhig stehen, wenn ein Auto vorbeifuhr. War dieses Stadium erreicht, konnten wir uns auf die Straße wagen. Wir wurden von Autos, Fahrradfahrern und Inlinescatern überholt und schon bald war dies alles kein Problem mehr. Bald wagten wir uns in den Wald und machten ein paar Spaziergänge.

Einmal kamen wir aus dem Wald zurück. Dabei mußten wir einen anderen Reitstall sowie einen Bauernhof passieren. Der Reitstall veranstaltete an diesem Sonntag ein Springtraining und es standen einige Hänger dort. Luzie ließ sich problemlos vorbeiführen, machte dann aber panisch Halt hinter dem Bauernhof, wo gerade das Futter aus dem Silo in den Stall geblasen wurde. Sie wurde riesengroß und wollte so schnell, wie möglich weiter. Das wollte ich nicht zulassen, bevor ich ihr nicht gezeigt hatte, daß das Silo gar nicht so schlimm ist. Ich führte sie also dort heran. Sie ging auch ein Stückchen mit, bevor sie panikartig begann nach rückwärts zu flüchten. Das wäre auch eigentlich überhaupt kein Problem gewesen, wenn nicht gerade in diesem Moment ein Teilnehmer des Springtrainings mit seinem Hänger an uns vorbeigefahren wäre. Anstatt anzuhalten, fuhren er auch noch weiter und Luzie wich immer weiter rückwärts. Ich sah sie schon mit dem Hänger kollidieren, aber wir hatten Glück im Unglück und es ist nichts passiert.
Trotzdem hatte mir dieser Vorfall einen dermaßenen Schreck in die Glieder gejagt, daß ich danach lange nicht mehr mit meinem Pferd auf die Straße ging. Eigentlich hatte der Vorfall Auswirkungen bis heute, denn ich gehe auch heute noch nicht mit einem guten Gefühl raus. Wenn ich schon an die großen Trecker auf den Feldwegen denke wird mir schlecht. Und hier gibt es jede Menge davon.

Irgendwann fing ich dann auch an, Luzie zu longieren. Ich tat dies nicht zu oft und auch nicht allzu lange, um sie nicht zu überfordern, aber es bot mir eine gute Gelegenheit, der Kleinen wieder etwas beizubringen. So lernte sie mit der Zeit meine Kommandos, bekam Kondition und ich konnte ihr auch schon so essentielle Dinge, wie Gurten, Ausbinden etc. beibringen.
Irgendwann kam dann auch der Tag, an dem sie zum ersten Mal ein Gebiß ins Maul bekam. Süß, wie sie versuchte, darauf herumzukauen und es loszuwerden. Aber auch diese Herausforderung meisterte sie bald ganz gelassen. Zwei- oder dreimal wurde es aber auch ganz schön brenzlig. Denn Luzie in vollem Saft wollte anscheinend Kräfte messen und schoß los, buckelnd und rasend. Ich zog eher zufällig im richtigen Moment an der Longe und sie rutschte weg und landete im Sand. Mir fuhr jedes Mal ganz schön der Schreck in die Glieder, aber nicht nur mir. Luzie stand auf und schaute mich respektvoll an. Wie gesagt, sie machte das zwei- oder dreimal und dann nie wieder. Sie wartet auch heute noch immer ab, bis sie von mir das Kommando zum Galopp bekommt und schießt nie von sich aus ab. Sie hatte ihre Lektion gelernt und ich frage mich heute noch, wie ich das gemacht habe, bin allerdings auch froh, daß damals nichts gravierendes passiert ist.

Lieben Gruß
Eure

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen