Evenhof (27)

Ich hatte derweil aufregende elf Monate vor mir. Lady wurde von mir gehegt und gepflegt. Hatte ich mich vorher schon intensivst um sie gekümmert, gab es jetzt – während ihrer Trächtigkeit - tatsächlich noch eine Steigerung. Wahnsinn! Es waren tolle elf Monate in denen ich viel Zuspruch bekam. Ich glaube, alle freuten sich mit mir und waren ebenso gespannt wie ich, was da wohl herauskommen würde. Sam, geboren 1997, war prima gelungen. Er war recht klein und kompakt und wuchs sehr gleichmäßig. Ich glaube, er war nie richtig überbaut oder so. Der kleine Palomino war eine perfekte Mischung aus seinen Eltern. Es bestand also die berechtigte Hoffnung, daß die Anpaarung noch einmal funktionierte.

Fast jeden Abend, wenn ich Lady putzte und zum Reiten fertig machte, wurde ich angesprochen: ob ich nervös sei, ob ich gespannt sei, welches Geschlecht ich mir denn wünschten und was ich denn vorhätte? Die Anderen lebten diese schöne Zeit mit mir.

Ab achtem Monat wurde Lady zusehends dicker. Wir mußten vorsichtig sein, sie hatte schon einmal ein Fohlen verloren, ausgerechnet an Heiligabend. Das sollte diesmal auf keinen Fall passieren. Ich begann damit, sie zu schonen und paßte auf, daß sie sich nicht aufregte, aber das war mir ja sowieso schon in Fleisch und Blut übergegangen.

Jeden Abend verwöhnte ich sie mit Obst und Gemüse, Möhren, Äpfel, Orangen oder Bananen, was der Supermarkt so hergab. Ich maß ihren Bauchumfang regelmäßig und ab der letzten Woche vor dem ausgezählten Datum fing ich an, Ihre Temperatur zu messen. Sie hatte die letzten Fohlen alle recht pünktlich bekommen. Ich wußte die Daten der Bedeckung und des Abfohlens von den vorhergeborenen 3 Fohlen. Damit rechnete ich mir ein ungefähres Geburtsdatum aus. Ich kann mich noch daran erinnern, daß in dem Jahr eine Equitana war, und ich weiß noch, daß ich nach einem Besuch dort in den Stall fuhr, um nach Lady zu sehen. Ab ungefähr diesem Zeitpunkt habe ich dann im Stall übernachtet. Ich wollte die Geburt auf keinen Fall verpassen und nach Hause waren es immerhin 20 Minuten. Da konnte im Ernstfall dann schon alles passiert sein.

Ich wollte natürlich alles perfekt machen. Ich las jede Menge Bücher und informierte mich über Fohlengeburten, wo ich nur konnte. Frühzeitig packte ich Ladys „Tasche“ – den Eimer mit Handtuch, Saugflasche, Desinfektionsmittel und was man sonst noch alles so braucht.

Wolfgang stellte eine Kamera auf und unser Stübchen wurde mit einem Fernseher und einem Gästebett ausgestattet, welches ich mir jeden Abend, wenn alle weg waren, aufbaute. Ich verbrachte von nun an meine Nächte damit, mir auf alle 1,5 Stunden den Wecker zu stellen, um dann kurz hochzuschrecken und einen Blick auf den Monitor zu werfen. War alles ruhig, schlief ich direkt weiter, war etwas besonderes, ging ich nachschauen. Ich glaube, in der ganzen Zeit war es vielleicht ein- oder zweimal nötig, daß ich nach draußen mußte. Ansonsten blieben mir zahlreiche Gelegenheiten in Erinnerung, bei denen ich längere Zeit über den Bildschirm nachschaute, was Lady so treibt.

Jetzt kommt es mir fast unwahrscheinlich vor, daß ich – wenn ich mich nicht täusche – und ich glaube nicht, daß ich das tue – ganze 6 Wochen lang damit verbracht habe, mir Nacht für Nacht alle 1,5 Stunden den Wecker zu stellen um nach der Stute zu schauen.

In ganz besonders dankbarer Erinnerung ist mir auch geblieben, daß Irec und Christina mir nicht nur ganz selbstverständlich jeden Morgen ihr Badezimmer zur Verfügung stellten, so daß ich mich vor der Arbeit wenigstens noch duschen konnte, ohne den weiten Heimweg antreten zu müssen, sondern daß Christina mir zu allem Überfluß auch noch fast täglich ein kleines Frühstück anbot.



Lieben Gruß
Eure

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