Evenhof (21)

Es war am 22. Oktober 1998, ein Tag vor Annabellas Geburtstag, als ich, von der Arbeit kommend ein langes Telefonat mit Susanne führte. Wir redeten bestimmt 20 oder 30 Minuten und sie erzählte mir ganz glücklich, daß sie Jessie an dem Tag im Round-Pen hatte und wie nett sie herumgebuckelt hätte. Ganz anders als noch zwei Monate zuvor hatte sie nun ein fröhliches, aktives und schmerzfreies Pferd. Kurz bevor ich auf den Hof fuhr, legten wir auf.

Ich ging in den Stall zu Lady. Irec kam mir entgegen „Jessie geht es schlecht, wir können Susanne nicht erreichen, da ist immer besetzt.“ Ich dachte: „nicht schon wieder“ und ging zu ihrer Box und was ich da sah, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen.

Jessie stand dick aufgebläht und vor kaltem Schweiß tropfend naß in ihrer Box. Am schlimmsten war ihr Zittern – wie Espenlaub – jetzt wußte ich was dieser Ausdruck bedeutete, so schlimm. Wolfgang und Anja rubbelten sie mit Handtüchern ab und versuchten sie daran zu hindern, sich hinzulegen. „Der Tierarzt ist informiert aber bei Susanne ist immer besetzt.“

Mir war klar, daß das an unserem langen Telefonat gelegen haben mußte. Ich rief sie an und bekam sie gleich an den Apparat. „Komm! Deinem Pferd geht es so schlecht wie nie zuvor.“

Da ich schon einmal das Telefon in der Hand hatte, rief ich den Vet auch noch einmal an. Ich informierte ihn, daß es sich diesmal nicht um eine von Jessies „Standardkoliken“ handelte, sondern daß es heute um Leben und Tod ginge.

Kurz darauf traf Susanne ein und wir sahen auch schon den Tierarzt herannahen. So habe ich ihn noch nie auf den Hof „fliegen“ sehen.

Ein Blick auf Jessie und er zog Spritzen auf. Das Pferd lag inzwischen und war kaum bei Sinnen, total apathisch. Der Arzt drückte aufs Zahnfleisch, es war weiß, und jagte Jessie verzweifelt eine Spritze rein. Zu spät – sie erschlaffte noch während er den Kolben drückte. Der Blick wurde starr. Es gab keine Rettung mehr und sie starb mit ihrem Kopf in meinen Armen.

Der Veterinär bot Susanne an, Jessie zu obduzieren, um herauszufinden, woran sie denn schlußendlich erkrankt sei. Susanne lehnte ab, aus vielen verständlichen Gründen.

Ein paar Monate später sahen wir auf der Equitana, was Magendasseln beim Pferd so anrichten können. Verglichen mit Jessies Tod und ihren Symptomen, sind wir uns heute sicher, daß sie mit diesen Parasiten verwurmt war und eines der dadurch entstandenen Magengeschwüre geplatzt sein mußte, vielleicht beim Toben im Round-Pen an diesem Nachmittag.

Lieben Gruß
Eure




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