Evenhof (12)

In diesem Jahr ereigneten sich nicht nur schöne Dinge. Susanne, die mittlerweile eine sehr gute Freundin geworden war, fuhr regelmäßig und für mehrere Wochen in ihr Haus nach Menorca. So auch diesen Sommer. Sie hatte Sahib erst vor ca. 2 Jahren in ihr Eigentum übernommen. Vorher war sie Reitbeteiligung. Dann hatte sie kurzerhand mit der damaligen Besitzerin die Rollen getauscht. Diese sollte Sahib reiten, solange Susanne unterwegs war. Ich weiß noch genau, wie Susanne mir damals jedes Mal, wenn sie in den Urlaub fuhr, ihr Pferd anvertraute und sagte: „Paß mir gut auf den auf.“ „Mach ich“, war die natürliche Antwort, die sie jedesmal erhielt. Wie sehr ich noch auf ihn aufpassen sollte, wußte ich damals noch nicht.

Eines abends, ich war ausnahmsweise schon früh zu Hause, klingelte mein Telefon. Wolfgang war dran. Gehetzt keuchte er nur ins Telefon: „Sahib ist verletzt, muß sofort in die Klinik, wir versuchen ihn zu verladen.“ Oh, Gott, der Horror. Wer Sahib schon mal gesehen hatte, wie er sich weigerte, in den Hänger zu gehen, weiß, wovon ich rede. Beim letzten Verladetraining, und das war schon eine ganze Weile her, hat er sich 2 Stunden lang standhaft geweigert. Und damals hatte er vier gesunde Beine.

Ich schmiß mich in die Klamotten und raste, auf das Schlimmstes gefaßt, zum Hof. Dort stand – wie durch ein Wunder – Sahib schon auf dem Hänger. Er muß wohl gewußt haben, wie es um ihn stand, da war Hänger fahren das kleinste Übel. Sie hatten nur auf mich gewartet. Ab ins Auto uns los.

Unterwegs erzählte mir Wolfgang, was passiert war. Sahib war im Wald in eine Glasscherbe getreten. Scherbe war kein Ausdruck – es handelte sich um den Kopf eines Joghurtglases, an dem der Deckel noch dran war. Das verlieh dem Glas außerordentliche Stabilität, und so konnte es problemlos in Sahibs Fessel eindringen. Hubert, der Tierarzt, kam sofort und als er die Wunde sah, wußte er bereits, daß es nicht sehr gut aussah. Es kam kaum Blut und die Wunde sah für einen Laien harmlos aus. Aber auch die Tierärzte in der Klinik waren sehr besorgt. Sahib sollte – möglichst sofort – operiert werden, da man auf dem Röntgenbild bereits sah, wie tief die Wunde war. Bei der Operation stellte man fest, daß man mit dem Schlimmsten rechnen mußte – die Scherbe war in die Sehnenscheide eingedrungen. Man erklärte uns, daß hier eine sehr hohe Infektionsgefahr herrschte und sich dadurch Fibrinfasern bildeten, welche die Sehnenscheide verkleben würden. Dadurch könne die Sehne nicht mehr reibungslos in der Sehnenscheide rutschen und das wäre für das Pferd sehr schmerzhaft. Die Wunde mußte also sofort geöffnet und mit einem geeigneten Antibiotikum gespült werden. Und die Entscheidung, ob das ganze gemacht werden sollte, lag bei Wolfgang und mir. Susanne war auf Menorca und wir hatten sie noch nicht erreicht.


Alles Liebe
Eure

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